Mittwoch, 17. August 2011

Placeboeffekt: Subjektiv oder Objektiv ?

Heute erschien im Spiegel Online ein Artikel über eine neue Studie zum Thema Placeboeffekt bei Asthma Patienten. Dabei wurden 46 Patienten doppelblind randomisiert auf vier Gruppen aufgeteilt, die unterschiedlich behandelt wurden:

  1. Behandlung mit einem wirksamen Medikament (Albuterol)
  2. Behandlung mit einem Scheinmedikament (Placebo)
  3. Behandlung mit einer Scheinakupunktur (Placebo)
  4. Gar keine Behandlung

Die jeweilige Behandlung wurde mehrfach, in Abständen einiger Tage, wiederholt. Gemessen wurde schließlich das Ergebnis der Spirometrie Untersuchung, sowie das persönliche Befinden vor und nach der Behandlung.

Das Ergebnis der Studie:

Die mit Albuterol behandelten Patienten verbesserten sich im Spirometrie Test um ca. 20 Prozent, wohingegen sich Patienten der anderen Gruppen nur um 7 Prozent verbessert hatten. Das subjektive Empfinden der Beschwerden aber hat sich in den drei Behandlungsgruppen nahezu gleich um rund 50 Prozent verringert! Dem gegenüber stehen 20 Prozent subjektiver Verbesserung der Patienten aus der Nicht-Behandlungs Gruppe.

Mit anderen Worten:
Alle Patienten, die irgendeine Art von Behandlung erhalten hatten, beklagten sich hinterher gleichermaßen weniger über ihre Beschwerden (subjektives Empfinden), doch objektiv zeigte nur die mit Albuterol behandelte Gruppe eine Verbesserung!

Diese Studie rückte aber nicht aufgrund des (wenig überraschenden) Ergebnisses ins Rampenlicht, sondern aufgrund eines Kommentars zu dem Artikel im Fachjournal, der für heftige Kontroversen unter den Medizinern sorgte. Dieser Kommentar nämlich legt den Schluss nahe, dass Placebomedizin tatsächlich eine Option bei der Behandlung von Krankheiten wäre, da sie das subjektive Empfinden der Patienten ebenso fördert, wie das wirksame Medikamente tun.
Daraus könnte man schlussfolgern, dass die subjektiven Effekte einer Behandlung ebenso wichtig sind, wie die objektiven. Und daraus könnte man schlussfolgern, dass Placebomedizin tatsächlich in einem gewissen Umfang gerechtfertig wäre.

Das ist natürlich Unsinn und man braucht sich nicht darum sorgen, dass diese Studie in irgendeiner Weise Voodoo-Medizin wie etwa die Homöopathie rechtfertigt. Stattdessen ruft sie eine wichtige Tatsache ins Gedächtnis:

Der Placeboeffekt ist nicht zwangsweise mit einer tatsächlich objektiven Verbesserung der Beschwerden verbunden, sondern (und ich würde behaupten, dass das überwiegend der Fall ist) häufig glaubt der Patient lediglich, dass es ihm besser geht, obwohl das objektiv gar nicht der Fall ist!
Diesen Effekt nennt man Selbsttäuschung und kann (z.B. bei Homöopathie Anhängern) bis zur Autosuggestion führen.

Dieses unwirklich erscheinende Phänomen der Selbsttäuschung lässt sich allerdings leicht erklären, indem man sich etwa das Beispiel "Schmerz" anschaut:

Sie haben Kopfschmerz ? Bewerten Sie die Intensität des Kopfschmerzes auf einer Skala von 1 bis 5!
Sie haben 2 Stunden später wieder Kopfschmerz ? Bewerten Sie die Intensität des Kopfschmerzes erneut auf einer Skala von 1 bis 5!

Derjenige, der das objektive Verhältnis des Kopfschmerzes korrekt auf einer solchen Skala über Stunden oder gar Tage hinweg angeben kann, dürfte nicht existieren. Denn das Problem ist, dass selbst bei objektiv gleichem Schmerz das subjektive Schmerzempfinden völlig unterschiedlich sein kann. Zudem besteht (noch) keine Möglichkeit Schmerzen technisch (und damit objektiv) zu erfassen, so dass ein Arzt auf den subjektiven Eindruck des Patienten angewiesen ist, der ihm mitteilt, ob sich der Schmerz gebessert hat oder nicht.
Und genau hier liegt der Hund begraben, denn der Patient ist selten in der Lage sein eigenes Schmerzempfinden objektiv wiederzugeben und unterliegt der Selbsttäuschung durch die eigene Psyche. Wer obigen Test mit der Skala durchführt dürfte das recht schnell einsehen.

Sonntag, 10. Juli 2011

Beweise in den Naturwissenschaften

Zu häufig kommt es vor, dass in Bezug auf die Richtigkeit eines Sachverhalts Aussagen getroffen werden wie "das ist wissenschaftlich bewiesen" oder "das ist wissenschaftlich nicht bewiesen". Doch tatsächlich sind beide Aussagen unsinnig, da sich wissenschaftlich (im engeren Sinne naturwissenschaftlich) prinzipiell nichts beweisen lässt!
Die Gründe dafür, warum das so ist, sind aber leider nicht unbedingt offensichtlich. Um zu verstehen warum sich naturwissenschaftlich nichts beweisen lässt und welchen Sinn Naturwissenschaften dann überhaupt noch haben, muss zunächst geklärt werden was ein Beweis überhaupt ist.


Exkurs: Beweise in der Logik

Zunächst ist festzuhalten:

i) Ein Beweis ist eine logische Kette (Herleitung), die ausgehend und basierend auf Axiomen (unabgeleitete Aussagen) einen Zusammenhang zeigt oder eine Aussage als wahr oder auch als falsch ausweist.
ii) Eine bewiesene Aussage unterscheidet sich von einer unbewiesenen dadurch, dass bei Erfüllung der notwendigen Rahmenbedingungen (Voraussetzungen, unter denen der Beweis geführt wurde) die bewiesene Aussage immer korrekt ist, ohne Ausnahme!
iii) Im Rahmen einer Beweisführung dürfen nur Axiome, zusätzliche Definitionen (die widerspruchsfrei und eindeutig sein müssen) und andere bereits bewiesene Aussagen verwendet werden.

Der relevante Punkt ist hier, dass sich die logische Kette der Beweisführung ausschließlich innerhalb eines Gebäudes von Definitionen befindet! Als unmittelbare Konsequenz können deshalb nur Aussagen bewiesen werden, die sich innerhalb des Kontexts dieses Gebäudes befinden. Bewiesene Aussagen können das Definitionsgebäude damit also ebenfalls nicht verlassen.

Echte Beweise, also Aussagen, die immer und ausnahmslos korrekt sind, kennen wir nur aus der Mathematik und der Logik. Da die Mathematik ein Gebäude ist, das auf dem Fundament der Logik steht, ist es am einfachsten das Prinzip des Beweises als Beispiel an Letzterem zu verdeutlichen.


Beispiel:

Die Vorraussetzung für die Existenz von Beweisen ist ganz allgemein ein Gebäude aus (also eine Menge von) Definitionen. Im Falle der Logik müssen daher zunächst einige Begriffe definiert werden.
Hinweis: Die im Folgenden angegebenen Definitionen und Begriffe entsprechen nicht notwendigerweise denen, die im entsprechenden Fachgebiet etablierten sind!

Wahrheitswert: Ein Wahrheitswert wird definiert als ein abstrakter Zustand, der entweder "wahr" oder "falsch" sein kann.
Logische Variable: Eine logische Variable kann definiert werden als ein abstrakter Kontainer für Wahrheitswerte. Ein solcher "Kontainer" enthält immer einen Wahrheitswert, d.h. sein "Inhalt" ist immer entweder "wahr" oder "falsch" und niemals undefiniert (leer).
Als Symbolik verwendet man häufig arabische Großbuchstaben, also A, B, C ...
Logische Funktion: Eine Logische Funktion wird definiert als logische Variable, deren Wert von beliebig vielen logischen Eingangsvariablen und einer festen Abbildungsregel abhängt. Diese Regel muss für alle möglichen Kombinationen von Eingangswerten einen Wahrheitswert liefern (wobei die Anzahl der Eingangsvariablen auch fest sein kann, d.h. die Abbildungsregel muss nicht notwendigerweise für beliebig viele Eingänge formuliert werden).
Logisches NICHT: Das logische NICHT wird definiert als logische Funktion, die von genau einer Eingangsvariablen abhängt. Die Funktion ist "wahr", wenn die Eingangsvariable "falsch" ist und "falsch", wenn die Eingangsvariable "wahr" ist.
Logisches UND: Das logische UND wird als logische Funktion definiert, die von mindestens zwei Eingangsvariablen abhängt. Die Funktion ist "wahr", wenn alle Eingangsvariablen "wahr" sind. Andernfalls ist die Funktion "falsch".
Logisches ODER: Das logische ODER wird definiert als logische Funktion, die von mindestens zwei Eingangsvariablen abhängt. Die Funktion ist "wahr", wenn mindestens eine Eingangsvariable "wahr" ist. Sie ist nur dann "falsch", wenn alle Eingangsvariablen "falsch" sind.

Mit dieser Grundausstattung an Definitionen, kann nun im Rahmen dieser Definitionen gearbeitet werden. Zuvor konnten wir von "Logik" gar nicht wirklich sprechen, da noch nicht klar war, was darunter zu verstehen ist. Die aufgelisteten Definitionen führen nun aber dazu, dass ganz genau festgelegt ist, welcher Begriff was bedeutet. Entsprechend darf innerhalb dieses Definitionsgebäudes auch nicht mit Begriffen argumentiert werden, die nicht definiert wurden!

Betrachtet wird nun ein logisches UND mit zwei Eingangsvariablen A und B:


Der Ausdruck "X=( )" bedeutet (eigentlich müsste das zunächst auch noch definiert werden, aber ich will hier nun auch kein Buch schreiben und die Schreibweise sollte allgemein verständlich sein), dass der logischen Variablen X der Wert der logischen Funktion zugewiesen wird, die innerhalb der Klammern angegeben ist.
In diesem Fall ist das "A&B", also das logische UND, welches von genau zwei logischen Variablen A und B abhängt. Also ist X, gemäß der Definition des logischen UND, genau dann "wahr" wenn A und B "wahr" sind. Andernfalls ist X "falsch".

Nun behaupten böse Zungen, dass gilt:


wobei der senkrechte Strich für ein logisches ODER und der waagerechte Strich mit Haken für das logische NICHT steht.

Diese Behauptung ist nun eine Aussage, die sich vollständig innerhalb des Definitionsgebäudes der Logik befindet und die sich dementsprechend beweisen oder widerlegen lässt. In diesem Fall ist die Aussage "wahr"!

Beweis:
Am einfachsten lässt sich diese Aussagen beweisen, indem man sich die sogenannten Wahrheitstabellen anschaut. Darin werden alle Kombinationsmöglichkeiten der Eingangswerte aufgelistet und der Wert der logischen Funktion, der sich dafür ergibt, eingetragen. Für das logische UND ergibt sich:


Verknüpft man die Eingangsvariablen mit dem logischen NICHT und verknüpft das Ergebnis mit dem logischen ODER, ergibt sich entsprechend:


Man sieht sofort, dass die Ergebniswerte für X hier genau der Negation aus der ersten Tabelle (für das logische UND) entspricht, womit die behauptete Aussage zweifelsfrei bewiesen ist.

Diese Aussage kann man also künftig auf alle Kombinationen von logischen Funktionen anwenden und sich sicher sein, dass die Aussage immer korrekt ist. Noch interessanter ist, dass sich eine solche Aussage als logische Aussage auffassen lässt, die entsprechend nur "wahr" oder "falsch" sein kann. Konsequenterweise können logische Aussagen also auch auf logische Aussagen angewendet werden! Indem man dies praktiziert baut man sich nach und nach ein Gebäude auf, welches in sich abgeschlossen und konsistent ist und welches vollständig auf einem defnierten Fundament steht! Nur deshalb existieren in einem solchen Gebäude echte Beweise, aber eben nur innerhalb des entsprechenden Gebäudes!


Beweise in den Naturwissenschaften

... gibt es nicht! Der Grund dafür ist simpel:

In den Gebäuden der Naturwissenschaften existiert kein definiertes Fundament!

Und genau das ist gerade der fundamentale Unterschied zu den Geisteswissenschaften: In den Naturwissenschaften wird nicht innerhalb eines abstrakt definierten Gebäudes gearbeitet, sondern man beschäftigt sich mit einem Gebäude, welches bereits existiert (der Natur) und dessen Fundament unbekannt ist!

Sinn und Zweck der Naturwissenschaften ist es gerade, dieses Fundament so gut wie möglich zu erforschen. Die einzige Möglichkeit das zu tun besteht darin, Annahmen darüber zu treffen, wie dieses Fundament beschaffen ist und darauf basierend mathematische Modelle zu bilden. Durch Messungen können diese Modelle schließlich in ihren Aussagen qualifiziert werden. Stimmen die Aussagen (bzw. Vorhersagen) eines Modells gut mit den Messdaten überein, so hat man sich dem realen Fundament der Natur schon ein klein wenig genähert. Und je geringer die Abweichungen des Modells von der Wirklichkeit sind, desto näher befindet man sich mit seinen Modellannahmen an der Wirklichkeit. Doch selbst bei exakter Übereinstimmung von Modellvorhersage und Messung, können die Annahmen des Modells nicht als (im engeren Sinne) "bewiesen" angesehen werden, denn es sind und bleiben Annahmen!

Dennoch:
Die getroffenen Annahmen sind eben nicht blanke Hirngespinnste, willkürlich oder reine Phantasterei! Denn alle aus den Annahmen folgende Aussagen müssen überprüfbar sein und ein Stück Realität beschreiben. Andernfalls wäre eine solche Annahme sinnlos, da es gerade darum geht die Realität so gut wie möglich zu beschreiben und die Annahmen sukzessiv zu korrigieren, um dadurch dem unbekannten Fundament der Natur näher zu kommen. Und damit das funktioniert, müssen insbesondere die Annahmen selbst (zumindest indirekt) falsifizierbar sein!


Keine Beweise, sondern Belege!

In der Wissenschaft spricht man deshalb nicht von Beweisen, sondern von Belegen (engl: evidence)!
Ein Modell gilt als belegt, wenn alle Aussagen des Modells widerspruchsfrei sind und durch Beobachtung bzw. Messung eine (im Rahmen der technisch möglichen oder angestrebten Messgenauigkeit) Übereinstimmung mit der Realität nachgewiesen und von der wissenschafltichen Community anerkannt wurde.

Beispiel:
Das 1913 von Niels Bohr vorgestellte Atommodell (das Bohrsche Atommodell [1]) konnte erstmals die Existenz der Spektrallinien des Wasserstoffs erklären, die zuvor in diversen Experimenten entdeckt wurden. Die wesentliche Modellannahme, dass sich die Elektronen auf stabilen diskreten Bahnen um den Atomkern bewegen, wurde durch diese Beobachtungen motiviert.
Durch zahlreiche Experimente, insbesondere dem Frank-Hertz-versuch [2], wurde belegt, dass diese Annahme zu korrekten Vorhersagen im Experiment führt, weshalb sich das Bohrsche Atommodell erfolgreich etabliert hat und sogar heute noch in der Mittelstufe gelehrt wird.

Dennoch ist ein Beleg aber nun kein Beweis! Deshalb ist es auch nicht überraschend, dass das Bohrsche Atommodell in der Wissenschaft längst durch das Orbitalmodell [3] ersetzt wurde, da insbesondere die Beobachtungen Werner Heisenbergs die Vorstellung von stabilen Bahnen der Elektronen um den Atomkern widerlegt haben. Die Modellannahmen und damit das Modell selbst, wurden auf diese Weise korrigiert, so dass der durch neue Beobachtungen plötzlich vorhandene Widerspruch aufgehoben wurde.

Wichtig zu bemerken ist an dieser Stelle, dass das Orbitalmodell auch all das erklären kann, was auch das Bohrsche Atommodell erklären konnte. Zusätzlich aber besteht (bislang) kein Widerspruch mehr zu Beobachtungen in Experimenten und es werden noch weitere Phänomene (insbesondere in der Chemie) erklärt, die das Bohrsche Atommodell nicht erklären konnte.
Der Grund, warum das Bohrsche Atommodell trotzdem noch immer in Schulen gelehrt wird ist schlicht, weil das Orbitalmodell für Schüler diesen Alters im Detail zu kompliziert ist und weil die Bohrsche Vorstellung des Atoms für das grundlegende Verständnis der Chemie völlig ausreichend ist (und weil die im Widerspruch zum Modell stehenden Phänomene in der Mittelstufe keine Rolle spielen). Erst in der Oberstufe erhalten die Schüler eine (oberflächliche) Einführung in das Orbitalmodell. Aber erst wenn Jemand ein entsprechendes Studium durchläuft werden die Details so wichtig, dass solche Modelle mit all ihren mathematischen Unannehmlichkeiten gelehrt werden müssen.

Samstag, 19. März 2011

Realität und wissenschaftliche Theorie: Ein Modellproblem

Seit der Mensch im Laufe seiner evolutionären Entwicklung die Fähigkeit erlangt hat, sich und seine Umwelt wahrzunehmen und sie durch eine (wenn zunächst auch sehr einfache) Sprache zu beschreiben, seit dem stellt sich der Mensch Fragen.
Präziser: Er stellt sich philosophische Fragen darüber, was die Dinge sind, die er sehen, spüren, hören, schmecken und riechen kann. Er fragt sich was die Welt ist in der er lebt und er fragt sich was er selbst ist. Und letztendlich fragt er sich, ob er ist oder gar ob nur er ist.
Kein Wunder also, dass die Menschheit im Laufe ihrer noch jungen Geschichte die unterschiedlichsten, phantastischten und auch absurdesten Erklärungsmodelle für solche Fragen hervorgebracht hat. Im Laufe der kulturellen Entwicklung der Menschheit haben sich solche Ideen zu verschiedenen Religionen und esoterischen Bewegungen entwickelt. Einige davon haben sogar bis heute Bestand.
Doch woher weiß man eigentlich, welche dieser Erklärungen zutreffen und welche nicht ? Oder ob überhaupt eine der vorhandenen Erklärungen zutrifft ?
Erst seit der Renaissance, dem Beginn der Verbannung religiöser Authoritäten aus der Politik und Herrschaft westlicher Staaten, konnte sich eine Methode entwickeln, die es erlaubt Sinn von Unsinn auf höchstmöglicher objektiver Ebene zu trennen. Die Rede ist selbstverständlich von der wissenschaftlichen Methode.

Die wissenschaftliche Methode ist ein System von Regeln für Erklärungsmodelle. Werden diese Regeln von einem Modell eingehalten, spricht man von einem wissenschaftlichen Modell. Der fundamentale Wert wissenschaftlicher Modelle liegt nun darin, dass das Regelsystem der wissenschaftlichen Methode sicherstellt, dass das Modell ...

i) keine unüberprüfbaren Aussagen enthält (z.B. "Es gibt unsichtbare, feinstoffliche fliegende Einhörner")
ii) durch Beobachtungen bzw. Messungen prinzipiell und für Jedermann falsifizierbar (wiederlegbar) ist (z.B. "Massen im Vakuum fallen unabhängig ihres Gewichts gleich schnell")
iii) keine unnötigen Zusatzannahmen enthält (Ockhams Rasiermesser; z.B. "Unsichtbare, feinstoffliche fliegende Einhörner drücken Massen im Vakuum derart zu Boden, dass sie unabhängig ihres Gewichts gleich schnell fallen")

Damit reduziert sich die Wissenschaft auf eine rein naturalistische Ebene. Das ist notwendig, da man alles, was man mit unsichtbaren, feinstofflichen fliegenden Einhörnern "erklären" kann, auch genauso gut mit unsichtbaren, feinstofflichen fliegenden Elefanten "erklären" könnte. Es gäbe, wegen der Unüberprüfbarkeit, keine Möglichkeit mehr eine Entscheidung zwischen diesen beiden Erklärungsmodellen zu finden. Im Grunde könnte man sogar, eben so wie es zu steinzeitlichen Epochen des Menschen der Fall war, jeglichen Unsinn behaupten und alles mögliche damit erklären, ohne dass man den Wahrheitsgehalt dieser Aussagen tatsächlich überprüfen könnte (wir finden solche unwissenschaftlichen Erklärungsmodelle leider auch heute noch haufenweise, der Sammelbegriff dafür ist Esoterik).
Hier entsteht der Eindruck, dass die Wissenschaft bzw. im engeren Sinne die Naturwissenschaft, sich durch die Einhaltung der Regeln der wissenschaftlichen Methode selbst um Erkenntnisgewinn beschneidet, da sie es etwa nicht zulässt die Frage zu untersuchen, ob hinter der Gravitationskraft in Wahrheit nicht tatsächlich unsichtbare feinstoffliche fliegende Einhörner stecken, die Objekte derart zum Erdboden hin beschleunigen dass es aussieht, als ob eine (für alltägliche Größenordnungen) konstante Kraft wirken würde.
Und tatsächlich können die Naturwissenschaften dies nicht leisten! Aber: da wir diese Einhörner nicht sehen können (unsichtbar) und wir sie auch nicht anfassen oder irgendwie messtechnisch erfassen könnten (feinstofflich), entziehen sich diese unserer erfassbaren Realität! Selbst wenn es sich bei der Gravitationskraft also in Wirklichkeit um Einhörner handelt, sind wir grundsätzlich nicht in der Lage das zu erkennen. Die Wissenschaft klammert damit also nur all das aus, was ohnehin nicht zu überprüfen wäre. Sie kann sich deshalb auch nicht der Frage nach Gott widmen oder der Frage, ob unser "Geist" nach dem Tod in irgendeine Art von Paradies auffährt.
Der interessante Punkt der hier anzubringen ist und der den Wert der Wissenschaft für den Erkenntnisgewinn aufzeigt ist der folgende:

Die Wissenschaft ist zwar nicht in der Lage zweifelsfrei zu klären, was hinter einem bestimmten natürlichen Phänomen steckt, doch sie kann durch Beobachtung und Messung der ihr zugänglichen Wirklichkeit die Eigenschaften dieser Phänomene erfassen und durch Modelle beschreiben.

Schließlich zeigt sich, dass es sich bei der Gravitation um ein Phänomen handelt, welches sich sehr genau in Abhängigkeit der Präsenz von Massen beschreiben lässt. Die Handlungsfreiheit der hypothetischen Einhörner wird damit extrem eingeschränkt und obwohl es nicht falsifizierbar ist, würde man die Idee des Gravition-Einhorns doch eher wieder verwerfen. Der Wert der wissenschaftlichen Methode liegt nun gerade darin, solche unproduktiven Ideen gar nicht erst im Modell zuzulassen.

Fazit:
Die Wissenschaften (insbesondere die Naturwissenschaften), sind nicht in der Lage zu erfassen, was die Realität tatsächlich ist. Die Modelle die sie hervorbringt sind jedoch Näherungen an diese Realität und je genauer diese Modelle durch Messungen verfeinert werden, desto mehr stimmen diese Modelle mit der Realität überein und desto weniger Platz gibt es für alternative Ideen.

Die Wissenschaft ist damit die rational effizienteste Methode um dem näher zu kommen, was wir unter Realität verstehen.