Samstag, 19. März 2011

Realität und wissenschaftliche Theorie: Ein Modellproblem

Seit der Mensch im Laufe seiner evolutionären Entwicklung die Fähigkeit erlangt hat, sich und seine Umwelt wahrzunehmen und sie durch eine (wenn zunächst auch sehr einfache) Sprache zu beschreiben, seit dem stellt sich der Mensch Fragen.
Präziser: Er stellt sich philosophische Fragen darüber, was die Dinge sind, die er sehen, spüren, hören, schmecken und riechen kann. Er fragt sich was die Welt ist in der er lebt und er fragt sich was er selbst ist. Und letztendlich fragt er sich, ob er ist oder gar ob nur er ist.
Kein Wunder also, dass die Menschheit im Laufe ihrer noch jungen Geschichte die unterschiedlichsten, phantastischten und auch absurdesten Erklärungsmodelle für solche Fragen hervorgebracht hat. Im Laufe der kulturellen Entwicklung der Menschheit haben sich solche Ideen zu verschiedenen Religionen und esoterischen Bewegungen entwickelt. Einige davon haben sogar bis heute Bestand.
Doch woher weiß man eigentlich, welche dieser Erklärungen zutreffen und welche nicht ? Oder ob überhaupt eine der vorhandenen Erklärungen zutrifft ?
Erst seit der Renaissance, dem Beginn der Verbannung religiöser Authoritäten aus der Politik und Herrschaft westlicher Staaten, konnte sich eine Methode entwickeln, die es erlaubt Sinn von Unsinn auf höchstmöglicher objektiver Ebene zu trennen. Die Rede ist selbstverständlich von der wissenschaftlichen Methode.

Die wissenschaftliche Methode ist ein System von Regeln für Erklärungsmodelle. Werden diese Regeln von einem Modell eingehalten, spricht man von einem wissenschaftlichen Modell. Der fundamentale Wert wissenschaftlicher Modelle liegt nun darin, dass das Regelsystem der wissenschaftlichen Methode sicherstellt, dass das Modell ...

i) keine unüberprüfbaren Aussagen enthält (z.B. "Es gibt unsichtbare, feinstoffliche fliegende Einhörner")
ii) durch Beobachtungen bzw. Messungen prinzipiell und für Jedermann falsifizierbar (wiederlegbar) ist (z.B. "Massen im Vakuum fallen unabhängig ihres Gewichts gleich schnell")
iii) keine unnötigen Zusatzannahmen enthält (Ockhams Rasiermesser; z.B. "Unsichtbare, feinstoffliche fliegende Einhörner drücken Massen im Vakuum derart zu Boden, dass sie unabhängig ihres Gewichts gleich schnell fallen")

Damit reduziert sich die Wissenschaft auf eine rein naturalistische Ebene. Das ist notwendig, da man alles, was man mit unsichtbaren, feinstofflichen fliegenden Einhörnern "erklären" kann, auch genauso gut mit unsichtbaren, feinstofflichen fliegenden Elefanten "erklären" könnte. Es gäbe, wegen der Unüberprüfbarkeit, keine Möglichkeit mehr eine Entscheidung zwischen diesen beiden Erklärungsmodellen zu finden. Im Grunde könnte man sogar, eben so wie es zu steinzeitlichen Epochen des Menschen der Fall war, jeglichen Unsinn behaupten und alles mögliche damit erklären, ohne dass man den Wahrheitsgehalt dieser Aussagen tatsächlich überprüfen könnte (wir finden solche unwissenschaftlichen Erklärungsmodelle leider auch heute noch haufenweise, der Sammelbegriff dafür ist Esoterik).
Hier entsteht der Eindruck, dass die Wissenschaft bzw. im engeren Sinne die Naturwissenschaft, sich durch die Einhaltung der Regeln der wissenschaftlichen Methode selbst um Erkenntnisgewinn beschneidet, da sie es etwa nicht zulässt die Frage zu untersuchen, ob hinter der Gravitationskraft in Wahrheit nicht tatsächlich unsichtbare feinstoffliche fliegende Einhörner stecken, die Objekte derart zum Erdboden hin beschleunigen dass es aussieht, als ob eine (für alltägliche Größenordnungen) konstante Kraft wirken würde.
Und tatsächlich können die Naturwissenschaften dies nicht leisten! Aber: da wir diese Einhörner nicht sehen können (unsichtbar) und wir sie auch nicht anfassen oder irgendwie messtechnisch erfassen könnten (feinstofflich), entziehen sich diese unserer erfassbaren Realität! Selbst wenn es sich bei der Gravitationskraft also in Wirklichkeit um Einhörner handelt, sind wir grundsätzlich nicht in der Lage das zu erkennen. Die Wissenschaft klammert damit also nur all das aus, was ohnehin nicht zu überprüfen wäre. Sie kann sich deshalb auch nicht der Frage nach Gott widmen oder der Frage, ob unser "Geist" nach dem Tod in irgendeine Art von Paradies auffährt.
Der interessante Punkt der hier anzubringen ist und der den Wert der Wissenschaft für den Erkenntnisgewinn aufzeigt ist der folgende:

Die Wissenschaft ist zwar nicht in der Lage zweifelsfrei zu klären, was hinter einem bestimmten natürlichen Phänomen steckt, doch sie kann durch Beobachtung und Messung der ihr zugänglichen Wirklichkeit die Eigenschaften dieser Phänomene erfassen und durch Modelle beschreiben.

Schließlich zeigt sich, dass es sich bei der Gravitation um ein Phänomen handelt, welches sich sehr genau in Abhängigkeit der Präsenz von Massen beschreiben lässt. Die Handlungsfreiheit der hypothetischen Einhörner wird damit extrem eingeschränkt und obwohl es nicht falsifizierbar ist, würde man die Idee des Gravition-Einhorns doch eher wieder verwerfen. Der Wert der wissenschaftlichen Methode liegt nun gerade darin, solche unproduktiven Ideen gar nicht erst im Modell zuzulassen.

Fazit:
Die Wissenschaften (insbesondere die Naturwissenschaften), sind nicht in der Lage zu erfassen, was die Realität tatsächlich ist. Die Modelle die sie hervorbringt sind jedoch Näherungen an diese Realität und je genauer diese Modelle durch Messungen verfeinert werden, desto mehr stimmen diese Modelle mit der Realität überein und desto weniger Platz gibt es für alternative Ideen.

Die Wissenschaft ist damit die rational effizienteste Methode um dem näher zu kommen, was wir unter Realität verstehen.

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